I have a new Family now

I’m from a small village in Eritrea. My parents live there and seven siblings of mine. I’m the oldest of them all. My father is a farmer and grows fruit and vegetables. He’s got cattle too.

I grew up with my mother’s grandparents in the neighbouring village, because my sister was born at a very short distance from me. I attended school there until sixth grade. I was 13 years old when I left with my best friend. My parents and grandparents didn’t know about this. I left because the military arbitrarily invaded people’s homes, especially at night. They often took people with them and I saw my uncle being mistreated. I walked with my boyfriend to Ethiopia. There is a camp with many people from Eritrea.

I stayed there for a year and three months and then went secretly to Sudan with another friend in a truck. It’s forbidden to go there.

There is a contact point in Sudan. I worked there for a year in a metal factory. I got a salary which was enough to buy me food. I saw on television how other people in America live and wanted to go to Europe. That’s why I went to Libya in a small car. We’ve been through the Sahara, but part of it is controlled by the Egyptians. And they stopped us and shot the tires off our car. We were 24 people and drove with a group of five cars.

Some of them were injured. They took all the valuables out of the car. We then called contact persons in Sudan who brought us into a tent surrounded by trees in the middle of the Sahara. The Sudanese use it to take a break. The drivers of the other four cars got scared and unloaded and drove away.

We waited there for two days. The Sudanese brought us something to drink and eat. The Sudanese are nice and they leave food and drink for refugees there.

After two weeks new cars arrived and they brought us to Libya. We were going to the capital to Tripoli, but we got caught by the military. Then everyone went to prison in Misrata. We were about 700 people from many countries. They put some of us Eritreans in jail in the capital, but I stayed there. We were beaten constantly. We always had to go down the stairs for dinner and were always beaten. They said: Faster, faster!

The women were on the first floor, we were upstairs. There was a car that took us to Libya. There were 120 people in it. They were housed in double layer in the storage room and in the gap. There died a young man I used to know because the between-deck broke in.

Then there was another car, stopped by the military. Driver said he wouldn’t have any people in the car. They just shot in there. There were deaths and injuries. But no one was taken care of in the hospital. People are idiots. I’ve never met such people before.

I was in prison for five months and then we escaped through a window and went to the capital. After about two weeks I crossed over to Sicily by rubber dinghy. I got money for the crossing from my parents and a cousin in Israel.

The crossing was supposed to take 12 hours, but an Italian ship picked us up. We were lucky. Many die in the Sahara or at sea. From Sicily I came to Rome. That was 2014. We came to Sicily on a Saturday. We were lucky because it was a Saturday and the people didn’t work at the weekend, so we could continue without registration.

From Rome I went on to France. I took the train, but it didn’t work out. Then I drove to Nice by car, then on to Paris. I slept there for three weeks under a bridge. There were many refugees. Helpers brought us warm clothes and food. It was November, it was very cold. I was very sick. In prison I only had salt water to wash and my skin was sick. A priest helped me so that I could be treated in a hospital. They got me some medicine too.

And from Paris I came to Cologne via Belgium. That was on December 5th, 2014, when I stood at the Cologne Cathedral and didn’t know anyone. I asked a young man where the police are. There’s a police station in the main station, and I was very sick and they first took me to a hospital. I spent five days there. Then I was accommodated in a refugee hostel on the Deutzer Freiheit in Cologne. I should go to Bonn because there was no place left in Cologne for unaccompanied young people. I was at the first interrogation and said that I did not want to go to Bonn. Then they found a place for me in an accommodation near the Chapel in Kalk. And after a year, Katharina took me in. She runs an elementary school. And now I have a new family here in Germany. The parents, sisters and cousins took me in as a family member and take care of me. Now I go to school and prepare for high school and then I play football in a club.

Storyteller’s name: “Jon”
Interviewer’s name: Nina Oxenius
Country of origin: Eritrea
Sex: m
Age: 18

 

Deutsch:

Ich komme aus Eritrea aus einem kleinen Dorf. Meine Eltern wohnen dort und sieben Geschwister von mir. Ich bin der älteste von allen. Mein Vater hat Land und baut Obst und Gemüse an. Er hat auch Vieh.

Ich bin bei den Großeltern mütterlicherseits im Nachbardorf aufgewachsen, weil meine Schwester in einem sehr kurzen Abstand zu mir geboren wurde. Ich habe dort bis zur 6. Klasse die Schule besucht. Ich war 13 Jahre alt, als ich mit meinem besten Freund weggegangen bin. Meine Eltern und Großeltern wussten davon nichts. Ich bin weggegangen, weil das Militär willkürlich zu den Leuten in die Häuser eingedrungen ist, vor allem nachts. Sie haben oft Leute mitgenommen und ich habe gesehen, wie mein Onkel misshandelt wurde. Ich bin mit meinem Freund zu Fuß nach Äthiopien. Dort gibt es ein Lager mit vielen Menschen aus Eritrea.

Ich bin dort ein Jahr und drei Monate geblieben und dann bin ich mit einem andern Freund in einem LKW heimlich in den Sudan gefahren. Es ist verboten, dorthin zu fahren. Im Sudan gibt es eine Anlaufstelle. Dort habe ich ein Jahr in einer Metallfabrik gearbeitet. Ich habe Lohn bekommen, der zum Essen gereicht hat. Ich habe im Fernsehen gesehen, wie andere Leute in Amerika leben und wollte nach Europa. Deshalb bin ich dann nach Libyen mit einem kleinen Auto. Wir mussten durch die Sahara, aber ein Teil wird von den Ägyptern kontrolliert. Und die haben uns angehalten und die Reifen von unserem Wagen zerschossen. Wir waren 24 Leute und sind mit insgesamt fünf Autos gefahren.

Manche wurden dabei verletzt. Sie haben alle Wertsachen aus dem Auto mitgenommen. Wir haben dann Kontaktpersonen im Sudan angerufen, die uns mitten in der Sahara in ein Zelt, das von Bäumen umgeben war, gebracht haben. Die Sudanesen nutzen es, um eine Pause zu machen. Die Fahrer der anderen vier Autos hatten Angst bekommen und haben alle ausgeladen und sind weggefahren.
Wir haben dort zwei Tage gewartet. Die Sudanesen haben uns etwas zu trinken und zu essen gebracht. Die Sudanesen sind nett und lassen für Flüchtlinge Essen und Trinken dort.

Nach zwei Wochen sind neue Autos gekommen und die haben uns nach Libyen gebracht. Wir wollten in die Hauptstadt nach Tripolis, aber das Militär hat uns geschnappt. Dann sind alle ins Gefängnis nach Misrata gekommen. Wir waren ungefähr 700 Leute aus vielen Ländern. Sie haben einige von uns Eritreer in die Hauptstadt ins Gefängnis gebracht, aber ich bin dort geblieben. Wir wurden ständig geschlagen. Wir mussten zum Essen immer die Treppe runtergehen und wurden dabei immer geschlagen. Sie sagten: Schneller, schneller!
Die Frauen waren in der ersten Etage, wir waren oben. Es gab ein Auto, das mit uns nach Libyen gefahren ist. Da waren 120 Leute drin. Die waren in doppelter Schicht im Lagerraum untergebracht und in dem Zwischenraum. Da ist ein junger Mann gestorben, den ich kannte, weil das Zwischendeck eingebrochen ist.
Dann war da ein anderes Auto, das wurde vom Militär angehalten. Der Fahrer hat gesagt, dass er keine Leute im Auto hat. Die haben einfach da reingeschossen. Es gab Tote und Verletzte. Aber keiner wurde im Krankenhaus versorgt. Die Menschen sind Idioten. Ich habe nie vorher solche Menschen kennengelernt.

Ich war fünf Monate im Gefängnis und dann konnten wir durch ein Fenster fliehen und sind zur Hauptstadt. Nach ca. 2 Wochen bin ich mit einem Schlauchboot nach Sizilien übergesetzt. Ich habe Geld für die Überfahrt von den Eltern und einem Cousin in Israel bekommen.
Die Überfahrt sollte 12 Stunden dauern, aber ein italienisches Schiff hat uns aufgenommen. Wir hatten Glück. Viele sterben in der Sahara oder auf dem Meer. Von Sizilien bin ich dann nach Rom gekommen. Das war 2014. Wir sind an einem Samstag nach Sizilien gekommen. Wir hatten Glück, weil es ein Samstag war und die Leute am Wochenende nicht arbeiten, so dass wir ohne Registrierung weiterkonnten.

Von Rom bin ich weiter nach Frankreich. Ich habe es mit der Bahn versucht, aber das hat nicht geklappt. Dann bin ich mit einem Auto bis Nizza, dann weiter bis nach Paris. Dort habe ich drei Wochen unter einer Brücke geschlafen. Dort waren viele Flüchtlinge. Helfer haben uns warme Kleidung und Essen gebracht. Es war im November, es war sehr kalt. Ich war sehr krank. Im Gefängnis habe ich nur Salzwasser zum Waschen gehabt und meine Haut war krank. Ein Priester hat mir geholfen, damit ich in einem Krankenhaus behandelt wurde. Sie haben mir auch Medikamente besorgt.

Und von Paris aus bin ich über Belgien nach Köln gekommen. Das war am 5. Dezember 2014. Ich stand dann am Kölner Dom und kannte niemanden. Ich habe einen jungen Mann gefragt, wo die Polizei ist. Im Hauptbahnhof ist eine Polizeistelle, und ich war so krank und man hat mich als erstes in ein Krankenhaus gebracht. Ich war fünf Tage dort. Dann bin ich einer Flüchtlingsunterkunft auf der Deutzer Freiheit in Köln untergebracht worden. Ich sollte nach Bonn, weil es in Köln keinen Platz mehr für unbegleitete Jugendliche gab. Ich war bei der Erstanhörung und habe gesagt, ich möchte aber nicht nach Bonn. Dann haben sie doch noch einen Platz für mich in einer Unterkunft in der Nähe der Kalker Kapelle gefunden. Und nach einem Jahr hat mich Katharina aufgenommen. Sie leitet eine Grundschule. Und jetzt habe ich hier in Deutschland eine neue Familie. Die Eltern, die Schwester und Cousinen und Cousins haben mich wie ein Familienmitglied aufgenommen und kümmern sich um mich. Jetzt gehe ich zur Schule und bereite den Hauptschulabschluss vor und dann spiele ich Fußball in einem Verein.

Name des Storytellers: „Jon“
Name der Moderatorin: Nina Oxenius
Herkunftsland des Storytellers: Eritrea
Geschlecht des Storytellers: männlich
Alter des Storytellers: 18 Jahre

Dublin Core: Language: de Subject: refugees, asylum, Eritrea, Germany, a million stories