Mein Name ist Mohammad Al Katli, ich bin 26 Jahre alt und komme aus Syrien, aus einem Ort namens Zabadani. Zabadani ist ein Touristenort, einer der wichtigsten dieser Art in Syrien. Im Sommer wird er von vielen Touristen aus Dubai und den Emiraten besucht. Es gibt viel Natur dort und Früchte, Zabadani ist bekannt für seine Äpfel. Ich lebte dort mit meiner Familie, wir sind eine religiöse Familie aus der mittleren Arbeiterschicht. Wir verdienten unser Lebensunterhalt durch das Vermieten von Villen, mein Vater arbeitete auch als Friseur.
Meine Stadt war die Erste, die von der Freien Armee besetzt wurde, dadurch wurde sie zu einem Zielpunkt für das Regime. Dies hatte viele Folgen für uns. Das Bildungssystem zum Beispiel, stand unter dem Einfluss des Regimes, weil wir Schüler aus Zabadani waren, erhielten wir bei den Abiturprüfungen ungenügend Punkte, weshalb wir dann durchfielen, obwohl wir laut unseren Leistungen eine viel höhere Punktzahl verdient hätten. Mein Traum war es immer Architektur zu studieren, dies konnte ich nicht mit der niedrigen Punktzahl. Deshalb ging ich für eine Weile in den Libanon. Vor meiner Abreise lernte ich ein Mädchen kennen, sie machte gemeinsam mit mir das Abitur. Ich verliebte mich in sie vom ersten Augenblick an. Aber ich konnte es ihr nicht sagen, weil vor mir doch noch alles ungewiss war.
Im Libanon suchte ich nach ihrem Namen auf Facebook, ich fand sie und wir schrieben uns. Nach einer Weile gestand ich ihr, dass ich mich in sie verliebt hatte. Anfangs war sie zurückhaltend, später aber entwickelte sich eine Liebe zwischen uns. Ich arbeitete im Libanon, musste aber dann zurück nach Syrien wegen meiner Militärpflicht. Wäre ich aber zu der Zeit nicht zurück nach Syrien gekehrt, hätte ich nicht mehr einreisen dürfen, also ging ich nach Syrien zurück. Meine Freunde sagten mir, dass die Punkte bei der Abiturprüfung alle korrigiert wurden, ich bekam meine eigentliche Punktzahl und konnte endlich mein Traumfach Architektur studieren. Ich traf mich mit dem Mädchen und sie wurde zu meiner großen Liebe. Weil mein Studium erst später begann, arbeitete ich noch ein Jahr im Libanon um dann, wenn ich wiederkehre, mit meiner Liebe gemeinsam zu studieren. Sie war in derselben Universität wie ich.
Wir studierten gemeinsam und ich hielt um ihre Hand an. Wir beide waren nun verlobt und wollten gerne nach Australien, dort lebt meine Schwester. In Syrien nämlich, hätte ich es mir niemals leisten können zu heiraten. Die Kosten für meine Uni waren so hoch, dass ich meinen ganzen Verdienst dafür ausgab. Meine Familie kam extra aus dem Libanon für die Verlobung. Wir warteten ein Jahr auf das Visa für Australien, leider bekamen wir nie eins. Inzwischen wurden die Probleme in meiner Stadt immer größer, das syrische Regime griff an. Weil unsere Stadt ein rotes Tuch für das syrische Regime war, wurde jeder Student, auf dessen Ausweis der Herkunftsort Zabadani stand, von den Soldaten bei Kontrollen mitgenommen. Krieg, Krieg, Krieg, überall war nur Krieg. Man konnte nicht mehr normal durch die Straßen laufen. Aus diesem Grund entschied ich mich, meine Heimat zu verlassen und nach Deutschland zu fliehen. Meine große Liebe musste leider in Syrien bleiben.
Würde ich alles erzählen, ich denke selbst Steine würden weinen, wenn sie von meiner Geschichte hörten. Ich floh mit den Brüdern meiner Verlobten nach Deutschland, wir kamen dort in einem Camp an und blieben etwa drei Monate. In Deutschland angekommen, fühlte ich nur Erleichterung. Wir hatten eine anstrengende Reise, besonders der Weg über Ungarn war hart. Ich wollte nur noch Ruhe und Schlaf, einfach nur noch Ruhe. Das Gefühl der Erleichterung verließ mich schnell, denn meine große Liebe war immer noch in Syrien. Ich hatte große Angst um sie, weil das Regime mittlerweile die Familien der Männer mitnahm, die gegen das Regime kämpften. Sie sperrten sie ein und schlossen sie ab von Essen und Trinken. Viele Familien starben vor Hunger. In Deutschland hatte ich große Sorgen um die Familie meiner Frau, weil sie in der Nähe von Damaskus lebten. Die Sorgen machten einen anderen Menschen aus mir, normalerweise bin ich immer ruhig, aber wegen der ganzen Sorgen um die Familie, wurde ich aggressiv, unruhig, die Leute erkannten mich nicht mehr. Meine Frau und ihre Familie flohen mit einem Schleuser. Am 15.12.2015 kam meine große Liebe in Deutschland an.
Als ich sie sah, verlor ich jede Angst und jede Sorge. Es war vorbei, die Last ist weg. Sie ist hier, bei mir. Natürlich schmerzte es mich, dass meine Verwandten noch dort waren und die Menschen meines Landes, aber mein Leben war jetzt bei mir und meine Eltern in Australien. In Deutschland war es sehr schwer am Anfang, ich bekam erst nach einem Jahr meinen Aufenthalt. Auch die Suche nach einer Wohnung war sehr schwer. Heute leben wir in Wesseling. Wir begannen gemeinsam einen Sprachkurs, meine Frau und ich. Nach dem Kurs meldete ich mich in der Technischen Hochschule an. Ich wurde angenommen und möchte hier gerne Architektur studieren. Meine Frau wurde an einer anderen Schule angenommen und möchte gerne Bauingenieurwesen studieren. Meine Träume für die Zukunft, ich möchte gerne mein Studium beenden und einen Master machen. Ich möchte auch gerne meine Familie besuchen aber momentan darf ich noch nicht ausreisen.
Ich kann den Menschen sagen, die ihre Geschichte noch nicht geteilt haben, habt keine Angst mehr, es ist vorbei, wir leben jetzt in Sicherheit. Meine Geschichte zu erzählen, bedeutet für mich, Zeit gewonnen zu haben um einen kleinen Teil dem Projekt zu geben und anderen Menschen dadurch die Möglichkeit, mich besser zu verstehen. Ich habe nur einen Ausschnitt erzählt, und wenn dies schon hilft , um sich in unsere Lage als Syrer besser hineinzuversetzen, was würde geschehen, wenn man uns mehr Zeit gäbe um zu sprechen. Wie viele Menschen, würden uns dann besser verstehen? Ich hoffe mit meiner Geschichte, einen guten Anfang gemacht zu haben.
Name des Geschichtenerzählers: Mohammad Al Katli
Name des Interviewers: Sarah El Desoke
Herkunftsland: Syrien
Geschlecht: m
Alter: 26